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Falsches Spiel: Wie ein Konzern die ganze Welt betrügt

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Seit über 30 Jahren wusste ExxonMobil, der größte private Ölkonzern der Welt, dass die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas den Klimawandel befördert. Journalisten weisen nach, wie der Mega-Konzern durch eigene Forschungen präzise Bescheid wusste – und sich dann entschied: Unsere Profite gehen vor – auch wenn dabei schwerste Schäden am weltweiten Klima drohen. Statt zu handeln, säte der Ölkonzern wider besseren Wissens systematisch Zweifel. Nun hat der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats New York ein Ermittlungsverfahren gegen Exxon eingeleitet.

Grafik: Campact/Zitrusblau [CC BY-NC 2.0] auf Basis von Marc Rain (CC)

Was die US-amerikanische Journalistin Neela Banerjee in diesem Video (englisch) erzählt, klingt wie ein Krimi, wie Fiktion – und ist doch Realität: Der Exxon-Konzern hat sich durch eigene jahrelange Spitzenforschung bereits Anfang der 80er Jahre genauestens über den Klimawandel informiert. Denn eines war schon früh klar: Wenn die Verbrennung von Öl und Gas das Klima verändert, dann hat das Geschäftsmodell von Exxon vielleicht eine große Vergangenheit und Gegenwart, aber keine Zukunft.

Daher wollte sich Exxon mit eigenen Forschungen ein Bild machen, und zugleich einen privilegierten Platz am Tisch der politischen Entscheidungen sichern. Sogar ein Exxon-Supertanker wurde mit speziellen Messinstrumenten für diese Forschungen ausgerüstet. Eigene Klimamodelle wurden entwickelt. Die Forschungsergebnisse bestätigten schon damals, was heute unstrittiger Konsens der Wissenschaft ist: Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verändert unser Klima mit schwerwiegenden, potentiell katastrophalen Konsequenzen für die Menschheit und die Vielfalt des Lebens auf der Erde.

Dokumente zeigen: Sie wussten was sie tun

Recherchen von Journalisten der Los Angeles Times und der Columbia University in den Archiven von Exxon zeigen: Die Exxon-Spitze handelte nicht unschuldig – sie wusste genau was sie tat. Sie war bereits Anfang der 1980er Jahre im Detail von den Ergebnissen der Forschungen unterrichtet (Exxon-Memo).

http://www.google.com/finance?chdnp=1&chdd=1&chds=1&chdv=1&chvs=maximized&chdeh=0&chfdeh=0&chdet=1447143488015&chddm=1955&chls=IntervalBasedLine&q=NYSE:XOM&ntsp=0&ei=z6dBVriZKdWVUsqfiFg

Memo an die Exxon Spitze 1982: Der Konzern war früh informiert

Exxon beteiligte sich auf dieser Basis zunächst noch einigermaßen konstruktiv an den politischen Diskussionen. Doch als der NASA-Wissenschaftler James Hansen1988 im US-Senat die Gefahren des Klimawandels schilderte, drohte aus Exxon-Sicht die öffentliche Meinung zu kippen. Eine aktive Klimapolitik drohte, den Verkauf von Öl und Gas und die Gewinne von Exxon zu gefährden.

Der Schritt auf die dunkle Seite

Doch statt nun energisch die Entwicklung alternativer Energien voranzutreiben, um die eigene Zukunft mit den Interessen der Menschheit in Einklang zu bringen, entschied sich der Konzern, systematisch die Ergebnisse der Klimawissenschaft zu unterminieren. Dabei nutzte Exxon eine Taktik, die schon von der Tabakindustrie erfolgreich angewandt worden war: Man muss die Debatte nicht gewinnen – es reicht aus, wenn in der Öffentlichkeit erfolgreich Zweifel gesät werden.

Ungewißheit betonen: Ausschnitt aus Exxon-PR-Strategie von 1988. Quelle: http://graphics.latimes.com/exxon-research/

Ungewißheit betonen: Ausschnitt aus Exxon-PR-Strategie von 1988: Quelle: http://graphics.latimes.com/exxon-research/

In der Folge finanzierte der Ölkonzern systematisch Anti-Klima-Lobbies und pseudowissenschaftliche Institute, deren einziges Ziel war, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Exxon war die treibende Kraft hinter der irreführend benannten „Global Climate Coalition“ von Konzernen, die das Kyoto-Protokoll torpedierte. Diese Saat ging insbesondere unter Präsident George W. Bush auf, als die Klimaleugner zur politikbestimmenden Kraft in US-Regierung und -Kongress wurden.

Welche Chance hätte die Menschheit gehabt, hätte der damals weltgrößte Konzern sein Wissen, sein Netzwerk, seine Lobbypower und seine enormen Ressourcen dafür eingesetzt, eine rasche Antwort auf die Bedrohung der Menschheit zu finden? Doch stattdessen wurden Jahrzehnte vertan. Statt nach Lösungen zu suchen, mußten Umweltschützer viel Aufwand betreiben, um die absurde Desinformationkampagne der Exxon-finanzierten Klimaleugner zu kontern.

Eine Chance für späte Gerechtigkeit?

Kommt nun durch den Generalstaatsanwalt von New York späte Gerechtigkeit? Noch ist es erst die Eröffnung eines Verfahrens. Exxon wird sich die teuersten Anwälte leisten, um eine Verurteilung zu vermeiden. Und so absurd es klingt: Der Konzern gerät nicht wegen der Gefährdung der Lebensgrundlagen der Menschheit in das Blickfeld der Justiz, sondern weil der Konzern seine Anteilseigner wider besseres Wissens nicht ausreichend über die Gefahren informiert hat, die seinen Geschäftsaussichten durch den Klimawandel drohen. Der mögliche Schaden für das investierte Kapital, die Rechte der Anteilseigner sind also die Grundlage des Verfahrens, nicht der Schaden für Mensch und Natur. In ähnlicher Weise ist nun der weltgrößte private Kohlekonzern Peabody Energy wegen Irreführung seiner Anteilseigner in ein Ermittlungsverfahren geraten, konnte aber ein Einigung mit den Anklägern erzielen.

Einmal ausgestoßen, verbleibt das bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entstehende CO2 mehrere hundert Jahre lang in der Atmosphäre, in den Weltmeeren sogar noch länger. Seit 1988 ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre rasant angestiegen. Das Klima hat sich bereits um ein Grad Celsius erwärmt. Zahlreiche Gletscher sind schon am Schmelzen, wunderbare Korallenriffe absehbar zum Untergang verurteilt. Dürren und Stürme zerstören die Lebensgrundlagen zahlreicher Menschen. All das steht in New York nicht zur Debatte, spielt im Verfahren gegen Exxon auch keine Rolle. Denn für eine Anklage wegen Klimaverbrechen fehlt eine Rechtsgrundlage.

Was wir nun tun müssen

Der Fall Exxon zeigt eines: Wir Bürger dürfen unsere Zukunft nicht den Konzernen überlassen. Wir müssen uns einmischen. Weltweit wachsen demokratische Bewegungen gegen Kohle, gegen Fracking, gegen Ölförderung in der Arktis oder aus Teersanden. Eine breite Bürgerbewegung hat nun in den USA die „Keystone XL Pipeline“ verhindert, die die verstärkte Ausbeutung von umweltzerstörenden Teersanden ermöglicht hätte. Diesen Sieg hätte noch vor wenigen Jahren keiner erwartet, und doch ist es so gekommen. Wie der Kampf um die Pipeline gewonnen wurde, zeigt dieses Video der Klimabewegung 350.org (in Englisch):

Komm mit auf die Straße für Klimagerechtigkeit

Weil wir unsere Zukunft nicht den fossilen Konzernen überlassen dürfen, müssen wir zusammen mit Tausenden weltweit am 29. November in Berlin auf die Straße gehen. Denn die kommende Klimakonferenz in Paris wird eine wichtige Etappe für die Bürgerbewegung, die den fossilen Konzernen so lange die Stirn bietet, bis wir 100 Prozent erneuerbare Energien erreicht haben!


Zum Weiterlesen:


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