Braunsbach. Simbach. Neun Tote. Szenen wie in einem “Horrorfilm” – findet Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Durch die jüngsten Unwetter wurden Dorfstraßen im Süden Deutschlands zu reißenden Flüssen, auf denen Autos vorbei schwimmen als wären es Badeentchen. Taucher suchen in versunkenen Fahrzeugen nach Leichen. Die letzten Tage zeigten uns das hässliche Gesicht des Wetters in diesem neuen Erdzeitalter, das wir Menschen geschaffen haben.
Braunsbach ist überall
Nicht nur im baden-württembergischen Braunsbach und im niederbayrischen Simbach spielte das Wetter verrückt – auch in anderen Teilen Deutschlands gab es schwere Schäden. In Xanten stand die Altstadt unter Wasser. Beim Musik-Festival Rock am Ring verletzt ein Unwetter 81 Teilnehmer. In Frankreich tritt die Seine über die Ufer und bedroht Paris. Unwetter forderten dort neun Todesopfer.
Auch an der Küste drohen Überschwemmungen, müssen die Deiche erhöht werden. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte, wenn wir nicht rasch aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, der Meeresspiegel um über einen Meter steigen. So der aktuelle Stand der Forschung.
Katastrophe auch durch Braunkohle
Braunsbach hat mehr als eine Silbe gemeinsam mit Braunkohle. Denn Braunkohle ist der fossile Energieträger, der das Klima am meisten schädigt. Und Deutschland das Land, das mehr Braunkohle verstromt als jedes andere auf der Welt. Allein RWE ist für etwa ein halbes Prozent der globalen Treibhausgase seit Beginn der Industralisierung verantwortlich. Die Katastrophe von Braunsbach wurde auch durch die deutsche Braunkohle mitverursacht.
Die Grundlogik ist einfach: mittlerweile hat die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas die Atmosphäre um ein Grad aufgewärmt. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, und schwül-feuchte Luft ist der Treibstoff für Gewitter. Für Deutschland kommt eine Studie in der renommierte Zeitschrift nature über Gewitterregen zu dem Schluss, dass diese sogar noch rascher zunehmen, als es aufgrund der höheren Wasserspeicherfähigkeit von wärmerer Luft zu erwarten wäre.
Braunsbach und die Kosten der Braunkohle
Braunsbach ist zerstört – der Wiederaufbau wird Millionen kosten. Die Klimafolgekosten, die in Braunsbach, Simbach, an der deutschen Küste und vielerorts im Lande bereits jetzt anfallen, werden von RWE, Vattenfall und Mibrag nicht getragen. Immer klarer wird nun: Braunkohleverstromung kommt uns sehr teuer zu stehen.
Aber auch die unmittelbaren Folgekosten für die Rekultivierung der zerstörten Landschaften werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Nach einer neuen Studie könnte der Steuerzahler auf den Folgekosten der Braunkohle sitzen bleiben. Und das tschechische Unternehmen EPH, welches das Braunkohlegeschäft in der Lausitz von Vattenfall kaufen will, spekuliert ganz offensichtlich darauf, dass die Folgekosten der Rekultivierung am Ende von Steuerzahler getragen werden. Sozialschmarotzertum als Geschäftsmodell.
Braunsbach und Berliner Politik
Finde den Fehler: Während in Braunsbach noch Rettungskräfte aktiv waren, und in Simbach die Flut anstieg, saßen in Berlin die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kanzlerin Merkel zusammen. Ihr Thema: Die Erneuerbaren Energien. Ihr Ergebnis: Ausgerechnet der Ausbau der besonders kostengünstigen Windenergie an Land soll zukünftig stark abgebremst werden. Gegenüber den vergangenen zwei Jahren soll der Windkraft-Ausbau zukünftig halbiert werden. Der Grund: Die unflexiblen Braunkohlekraftwerke laufen auch bei starkem Wind weiter und verstopfen die Netze für die Windenergie. Doch statt die Braunkohleverstromung zu drosseln, will Berlin den Ausbau der Windenergie abwürgen. Verkehrte Welt.
Von Braunsbach nach Paris und zurück
Wir werden eine Wahl zu treffen haben. Entweder wir beschleunigen Energiewende und Kohleausstieg, und halten damit den Klimawandel in Grenzen. Oder wir werden Katastrophen wie in Braunsbach und Simbach öfter und schlimmer erleben.
Deutschland ist wichtig: Auf Deutschland wird als Vorreiter und Schrittmacher der Energiewende weltweit geschaut. In China, in Indien, in den USA berufen sich Gegner des Klimaschutzes auf das Ausbremsen der Energiewende hierzulande.
Denn überall machen sich in der Folge des Pariser Klimaabkommens Staaten daran, ihre Energieversorgung umzubauen. Vor einem halben Jahr haben sich in Paris alle Staaten, auch Deutschland, verpflichtet, ihre Anstrengungen zu verstärken. Doch statt durchzustarten bremst Deutschland. Hierzulande will Sigmar Gabriel das Wort „Paris Abkommen“ nicht mehr hören. Und die einstige Klimakanzlerin Merkel? Sie lässt den Energiewende-Gegnern in ihrer Fraktion freien Lauf, obwohl sie beim G7-Gipfel vor einem Jahr die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft verkündete. Welch ein Doppelspiel!
Von Grönland nach Braunsbach
Merkel und Gabriel: Waren sie 2007 noch in Grönland, um die Folgen des Klimawandels zu sehen, müssten sie heute nur ins einst so beschauliche Braunsbach fahren. Doch anscheinend stecken beide viel lieber den Kopf in den Sand. Bis zur nächsten Flut.
- Hier für den Kohleausstieg unterzeichnen…
- Die Windkraft darf nicht ausgebremst werden: ->> hier geht’s lang
- Wie Klimawandel zu mehr Starkregen führt – ein Klimaforscher erklärt den Stand der Forschung